Dienstag, 7. April 2015

Vom Mensch der auszog und Ossi wurde

Glick auf liebe Mitmenschen,

die, die mich kennen, wissen, dass ich stolzer Sachse bin. Der Freistaat war und ist seit jeher meine Heimat, auch wenn ich schon lange nicht mehr wirklich da wohnte. Nach meinem Abitur begann eine Verwandlung, die mich extrem prägte und von der ich berichten möchte.

Seit ich Teenager war und nach mir selbst suchte, der Person der ich bin und die ich sein möchte, wollte ich nichts lieber als meine Heimat zu verlassen. Neues kennenlernen, der Lethargie des Landlebens und der immer gleichen Feiern der immer gleichen Freunde entfliehen.

Es war eine Zeit des Umbruchs und der Beginn des Erwachsenwerdens. Nach meinem Abitur leistete ich meinen Grundwehrdienst in Niedersachsen ab. Ironischerweise hatte ich mich für eine "heimatnahe" Einsetzung stark gemacht. In der Kaserne angekommen lernte ich zum ersten mal ein Fremdbild von mir kennen, welches ich vorher nicht kannte: ich war nicht David, nicht der Sänger einer mittlmäßig bekannten Band aus dem Südwesten Sachsens, ich war kein Sachse, ich war "Ossi".

Das unterstützte natürlich auch mein Dialekt, der bei weitem nicht so stark ausgeprägt war und ist, wie der der älteren Generation, aber er leistete seinen Beitrag. Ich war in der Schublade und sollte da auch nicht mehr so schnell herauskommen.

Es war eine seltsame Erfahrung. Zum einen hatte ich den inneren Wunsch mich anzupassen, dem hiesigen, kulturellen Anspruch zu genügen (was auch immer das dort heißen mochte), zum anderen war ich "Patriot" und stolz auf meine Heimat. Aber meine Heimat hatte dort kein Gewicht, mein "Patriotismus" wurde an den guten Tagen "nur" belächelt.

Diesen Spagat lernte ich erst in meiner Studienzeit bei Stuttgart. In der Marketingvorlesung, die ein stolzer Franzose mit eindeutigem Dialekt hielt, lernte ich eine unglaublich wichtige Sache: Surfe auf der Wellte der Vorurteile dir gegenüber!

Was aber heißt das für einen Sachsen (Ja, mittlerweile war ich dazu übergegangen Sachse zu sein, denn ein regionaler Unterschied hörte 100km nach der Grenze zum "Westen" schlagartig auf)?
Um Werner, aus dem Film "Das muss kesseln zu zitieren": "Aus 'ner Waschmaschine bau'n wir 'ne Enterprise!" Und wirklich. Waren wir Ossis nicht wahre Lebenskünstler? Konnten wir nicht aus Nichts das bauen oder besorgen, was wir eigentlich nicht haben konnten? Haben wir uns nie selbst ausgeholfen, wenn Not am Mann oder Ressourcen knapp waren? Der Begriff Shareconomy wird heute vielerseits als das neue Wirtschafts- und Lebensmodell gefeiert, für die ehemaligen DDR-Bürger dürfte das ein sehr alter Hut sein. Natürlich möchte ich mir nicht herausnehmen um zu beurteilen wie das wirklich in der DDR war, ich war noch ein Baby, aber ich kenne die Geschichten meiner Eltern und Großeltern und ich kenne die Mentalitäten des Ostens. Sie sprechen für mich eine sehr eindeutige Sprache.

Und so fing ich an über die typischen Witze, die man über "uns Ossis" machte mitzulachen und konterte selbstbewusst mit allen unseren Vorzügen. Es gelang mir nach einiger Übung unglaublich gut. So sehr, dass ich mich nicht nur als Sachse, sondern auch ein wenig als Schwabe fühlte. Dazu sei erwähnt, ich hatte kaum Kontakt zu Freunden und Familie aus meienr Heimat und passte mich nach einigen Jahren schon sehr an. Doch, und das bedauere ich, nahm ich auch ein wenig die Zugehörigkeit des Ossis an, und der Sachse in mir wurde etwas kleiner.

Ossi. Was heißt das? Im Grunde sind das doch alles Menschen, die in der ehemaligen DDR gelebt haben oder auf dem Gebiet heute wohnen. Doch frage doch einmal einen Mecklenburg-Vorpommer ob er sich mit Thüringen identifizieren kann. Frag doch einmal einen Brandenburger, wie er es mit Sachsen-Anhalt hält. Und dann frage mal einen Saarländer, ob er sich auch als ein Bayer fühlt.

Ich mache meinen Freunden und Kommilitonen "aus der Ferne" keinen Vorwurf. All jene, mit denen ich heute noch Kontakt halte, mögen mich immer ein wenig als Ossi sehen, aber da ist der Begriff nicht negativ behaftet. Ganz im Gegenteil. Ich denke, ein wenig konnte ich dazu beitragen, die Menschen jenseits der alten innerdeutschen Grenze, neu zu bewerten. Und wenn keine Neubewertung notwendig war, umso besser!

Schade an der ganzen Geschichte ist nur, dass ich, der gerade mal Mitte Zwanzig ist, das aufgezwungene Ost-West-Denken nun nicht mehr los werde. Ganz gleich, ob ich der Generation der Wiedervereinigung angehöre oder nicht. Und es ist schade für all meine Freunde die ich kennenlernen durfte, egal ob Niedersachsen, Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen oder sogar meine sächsischen Freunde, die ich seit Kindesbeinen an kenne.

Eine ehemalige Freundin aus vergangenen Ost-Zeiten äußerte sich einmal abfällig über eine Bemerkung, die ich auf Facebook über niedrigen Preis in Zwickau geäußert habe. Da erst wurde mir klar, dass ich zu weit getrieben wurde. Dass ich im Begriff war meine Heimat und mich selbst zu veraten, um im Westen anerkannt zu werden und über die Runden zu kommen. Das tat mir persönlich sehr weh. Denn so stand ich wieder zwischen den Welten und stellte mir wieder die Frage, die mich hat aus Sachsen verschwinden lassen: Wer bin ich und vor allem, wer möchte ich sein?

All das hat mich jedenfalls eines gelehrt: wir leben im Zeitalter von einem Deutschland. Meine Kinder werden dieses Denken jedenfalls nicht mehr haben, da meine Generation maßgeblich an der Einheit beteiligt ist.
Wirtschaftlich haben wir sowieso mehr ein Nord-Süd-, als ein West-Ost-Gefälle. Und jede Region hat ihre ganz eigenen Chaoten, Idioten und liebenswerten Menschen.

Ich jedenfalls bin, als Rückkehrer, wieder stolzer Sachse. Aber auch ein wenig mehr Germanópolit.

Sonntag, 26. Januar 2014

Die ewige Zielgerade

Glick auf liebe Mitmenschen!

Seit ich wieder in Deutschland bin habe ich mich in einigen Dingen umgewöhnt. Auch insgesamt sieht mein Leben wieder etwas anders aus. Die letzten zwei Monate waren geprägt von meiner Masterthesis, die ich Ende Februar abgeben möchte. Alles richtet sich danach und nach einigen Tiefphasen scheine ich jetzt halbwegs konsequent arbeiten zu können. Es ist ähnlich wie beim Schwimmen. Die ersten Bahnen sind neu, machen sogar Spaß. Dann kommt der erste Punkt an dem man keine Lust mehr hat, der nächste und noch einer. Bis man so sehr daran gewöhnt ist keine Lust zu haben und sich kontinuierlich dazu zwingen kann, weiter zu machen.

Auf der einen Seite wirkt diese Aufgabe so endlos und riesig, dass all die Baustellen, die ich innerhalb der Arbeit anfange weil mir irgendwo immer etwas fehlt um den Punkt abzuschließen, unendlich erscheinen. Das macht es mir auch so schwer motiviert zu bleiben. Das Thema an sich ist eigentlich interessant, ich kann mich dafür begeistern, aber alles verliert seinen Spaß wenn die Arbeit nicht mehr anspornt, sondern überhand nimmt und hemmt.

Auf der anderen Seite ist es die letzte große Aufgabe bis ich mein Ziel erreicht habe. Jenes welches ich habe seit ich ein kleiner Junge war: ein Studium abzuschließen. Klar, den Bachelor habe ich, in gewisserweise habe ich also schon ein Studium abgeschlossen, aber diesen Lebensabschnitt wirklich beendet hatte ich, mit der Entscheidung noch den Master zu machen, nicht.

Im Moment fehlt mir das Leben. Seit der Rückkehr aus Indien wohne ich wieder in dem Dorf (mit Stadtrecht), aus dem ich kam. Viele Jahre wünschte ich mir, dass ich wieder hier her kommen könne. Was ich dabei aber nie bedachte war, dass ein Ort nur ein Ort ist, und ein Leben nun mal auch aus Menschen und Umständen besteht. Ergo fühle ich mich hier mehr gefangen als alles andere, weil die lieben Menschen die ich vermisse, hier nicht mehr sind. Das brachte mich auch auf den Gedanken, dass ich wohl, entgegen meiner letzten Annahme als ich darüber nachdachte, überall heimisch werden könnte. Solang ich dort Menschen habe die ich liebe und Leidenschaften denen ich nachgehen kann. Natürlich ist der eine Ort schöner, der andere nicht, aber das ist für mich nicht so wichtig. Schöne Orte kenne ich schon zugenüge und diese werde ich auch immer mal wieder besuchen gehen. Damit bleiben sie auch irgendwie besonders.

Witzigerweise warte ich auf dieses besagte Leben seit einigen Jahren. Immer kam etwas anderes dazwischen, immer beeinträchtigte mich etwas anderes. Und immer mehr habe ich das Gefühl etwas verpasst zu haben. Seit einem Jahr versuche ich bewusster zu leben. Die kleinen Dinge wiederzuentdecken. Hier und da mal wieder rauszugehen um das Laub oder den Schnee zuzusehen, mir wieder Zeit zum Musikhören nehmen, oder eben das Zusammensein mit meinen Freunden zu genießen, egal wie alltäglich es auch wirkt. Und dennoch, das alles wirkt auf mich wie der Tropfen auf dem heißen Stein. Und dieses Gefühl zieht sich und zieht sich und zieht sich. Ich habe mein Ziel ganz deutlich vor Augen, es ist nicht mehr weit... seit Jahren. Ein Tunnelblick? Es ist diese ewige Zielgerade auf der ich mich befinde, aber sie möchte einfach nicht aufhören. Die Frage die ich mir stelle ist: wenn ich an dem Punkt angekommen bin, den ich als Ziel definierte, ändert sich dann überhaupt was? Oder muss ich schmerzlich erkennen, dass es an etwas ganz anderem liegt? Das macht mir Angst.

Eines steht fest: verlorene Zeit ist verlorene Zeit. Auch wenn ich mich gern in einen DeLorean mit Fluxkompensator setzen würde, die Zeit ist nicht mehr aufholbar. (selbst wenn ich es könnte, dann verbrauche ich wieder Zeit um die Zeit aufzuholen - paradox) Es gibt also nur den Weg nach vorn, immer wieder aufs Neue. Entweder man nutzt es, oder eben nicht. Doch wenn man nicht aufpasst heißt es nicht mehr die Hoffnung stirbt zuletzt, sondern die Hoffnung stirbt entsetzt.

Die Frage ist: Wie? Und warum wurde mir so etwas nicht beigebracht?

David





Dienstag, 17. Dezember 2013

Zurück in Deutschland - das was bleibt

Glick auf liebe Mitmenschen!

Die vier Wochen in Indien sind mittlerweile auch schon wieder fast weitere drei Wochen rum, höchste Zeit für eine Bilanz und Sätze die man in Deutschland und Indien nie ernsthaft von einem Einheimischen hören würde, dafür aber im jeweils anderen Land.


Sätze die man in Deutschland so nie hört
  1. Weißt du wo Eimer und Messbecher sind? Ich will duschen.
  2. Vorsicht, auf dieser Bundesstraße laufen viele Kühe.
  3. Kennst du Bayern München?
  4. Die Affen tun nichts.
  5. Hier gibt es keine Klimaanlage?!
  6. Nächsten Monat beginnt es zu regnen.
  7. Hitler war ein großer Mann. Ich habe nach ihm mein Restaurant benannt.
  8. Ich kann diese Zeitung nicht lesen, die ist nicht aus meinem Bundesland.
  9. 80km? Das schaffen wir in unter 3 Stunden!
  10. Halt mal kurz an, ich möchte noch etwas Pfeffer pflücken.


Sätze die man in Indien so nie hört
  1. Ich bring mal eben den Müll raus.
  2. Ich friere.
  3. Ich hätte heute Lust auf Nudeln.
  4. Lass mich bitte allein und mach die Tür zu.
  5. Das könnte noch besser funktionieren.
  6. Das ist aber scharf.
  7. Pass auf, hier ist nur 100 erlaubt!
  8. Gedulde dich und stell dich hinten an.
  9. Hast du mal 'ne Kippe?
  10. Dieses Bier schmeckt hervorragend.


 Die Rückkehr verlief relativ entspannt. An die Kälte gewöhnte ich mich sehr schnell, die Zeitumstellung dauerte etwa fünf Tage (zurück umstellen ist einfacher). Mit einigen Sachen hatte ich zu Beginn in Deutschland zu kämpfen. Zum einen war es dieses strikte. Sowohl die Zollbeamten, die Passagiere auf dem Rückflug, als auch die Straßenverkehrsteilnehmer hielten sich vorbildlich an Regeln, alles schien so steril in dem was sie taten. Diese Ordnung ist wirklich ein Schock nach vier Wochen Dynamik. Nein, ich benutze Chaos bewusst nicht, denn chaotisch wirkt es vielleicht, aber alles hat ein System, um dies zu erkennen braucht es nur einen zweiten Blick. Und kann ein System chaotisch sein, wenn man es versteht?

Was mir definitiv fehlt ist das mit den Händen essen. Man hat einfach einen ganz anderen Bezug zu dem was man isst wenn man seine Hände nutzt und das Essen fühlt. Mir kam es so vor, als ob man sich automatisch bewusster ernährt. Man wägt genauer ab, wie viel man isst, und spürt auch eher, wann man aufhören sollte. Für mich war eben jenes öfters ein Problem, bevor ich nach Indien ging. Dagegen fehlte mir in Indien immer das deutsche Frühstück und die Abwechslung beim Mittagessen. Ich sage euch, so ein Kaffee ist eine echt feine Sache...
Auch die Nummernschilder fehlen mir ein bisschen. Klar, in Deutschland muss alles einheitlich sein und wenn wir ganz ehrlich sind: Wir stehen auch drauf. Aber so ein bisschen Abwechslung, eine andere Schrift hier, eine andere Form da, ein wenig mehr Individualität am ganzen Auto, das hat schon seinen Charme.



Und, ich habe es schon anklingen lassen, mir fehlt ein wenig die Offenheit. Man sagt einigen Völkchen in Deutschland nach, dass sie offen und herzlich sind. Das mag gegenüber anderen Völkchen in Deutschland möglicherweise der Fall sein, aber liebe Leute, lasst euch gesagt sein, ihr seid alles verklemmte, egozentrische Alleingänger in Gegensatz zu all den Menschen, die ich in Indien kennenlernen durfte. Ich möchte uns jetzt keinesfalls schlecht reden, denn unsere Art "für uns selbst zu sein" hat auch ab und an seine Vorteile, aber die Kommunikation zwischen den Menschen hier ist bedeutend schwerer. Mir fiel dazu in Indien ein ganz guter Satz ein, als ich daseinen Universitäts-Mitarbeiter verdeutlichen wollte: "In Deutschland kannst du selbst als Deutscher ein Fremder sein." Eben das geht in Indien nicht. Inder sind ein Volk. Geteilt durch Sprache und Ansichten, aber dennoch ein Volk. Es wird nicht bewertet wie in Deutschland. Es ist schlicht egal wer du bist, es ist schön dass du da bist und dass sich die Möglichkeit ergibt, mit dir zu reden. Punkt aus.

Außerdem vermisse ich das dortige Zeitgefühl. Zeit hat für uns Deutsche eine komplett andere Bedeutung als in Indien. Deutsche klammern sich regelrecht an die Zeit, schauen auf die Uhr, planen im Minutentakt. Das gibt uns Sicherheit und, ich möchte es nicht abstreiten, manchmal auch den entscheidenden Vorteil wenn es um große Projekte geht. Dennoch, in Indien wird nicht mit der Zeit geplant, sondern mit den Aktivitäten. Ich denke, die meisten würden damit klar kommen, wenn sie keine Uhr oder ein numerisches Zeitverständnis hätten. Es dauert alles so lang wie es eben dauert, keiner kann etwas daran ändern und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Wenn man erst eine Stunde später zu einem Treffen kommt ist das kein Problem. Auch weil der andere ins Geheim damit rechnet, dass es länger dauert, so dass noch Zeit für andere Dinge ist. Ich merke schon, es fällt mir schwer das wirklich in Worte zu fassen. Es ist mehr ein Gefühl, als alles andere. Alles was ich dazu schreibe klingt nicht wirklich nach dem was es ist, es fehlt mir etwas um es wirklich verdeutlichen zu können, aber dafür muss man wahrscheinlich einfach dort gewesen sein.



Was bleibt sind also viele Erinnerungen und Erfahrungen, die mich als Mensch weitergebracht haben. Es bleiben Bekanntschaften und so etwas wie Freundschaften, die ich dort zurückließ. Und es bleibt enorme Dankbarkeit. Wie ich schon zu meiner Abschiedsrede am Palayad-Campus sagte: "You never treated us as tourists, but always as friends." (Ihr habt uns nie als Touristen, sondern immer als Feunde behandelt.) Und ich muss ehrlich sagen: Für mich wäre es eine Ehre, wenn die nächste indische Delegation nächstes Jahr nach Deutschland kommt, sie zu beherbergen und herum zu führen. Es ist viel Aufwand, aber so kann ich meine Dankbarkeit wenigstens etwas zum Ausdruck bringen.

Achja, und ich kann jetzt Cricket spielen - habe auch extra Sportgerätschaften importiert - wer ist dabei? :D

David

Montag, 18. November 2013

Tag 3, 04.11.2013 - Ich bin ein Würdenträger?!

Tag 3, 04.11.2013, Montag - Ich bin ein Würdenträger?!

Glick auf liebe Mitmenschen!

Heute heißt es rein in schickere Klamotten und den ersten Campus und seine Studenten besuchen. Ich fühle mich immernoch sehr unbehaglich was Indien angeht, ja eigentlich möchte ich direkt die Flucht ergreifen. Und ehrlich gesagt war ich darüber auch ein wenig entsetzt. Ich habe mich immer für einen toleranten und weltoffenen Menschen gehalten, aber scheinbar reicht das nicht aus wenn man mir nichts dir nichts in eine grundlegend und völlig andere Kultur hineingeschmissen wird und das einzige was man kennt sind Oberflächlichkeiten wie etwa Suzukis und Handys... und selbst die sind nicht die selben. Erschreckend.
Wie dem auch sei, jetzt heißt es a) durchhalten, und b) sich immer wieder sagen dass man sich erst an alles gewöhnen muss, dann wird das schon. Dergleichen kannte ich ja schon von Calw, da habe ich mir das auch über sehr lange Zeit eingeredet und es hat sich ja schließlich auch bezahlt gemacht, wenn auch spät.

Die Fahrt zum Campus war im Vergleich relativ kurz. Als mir dann, kurz vorm Einbiegen in die Auffahrt, letztlich das Schild der Universität auffällt, muss ich ehrlich sagen habe ich nicht schlecht gestaunt. Ich hatte mehr erwartet. Sah aus wie ein Gebäude das nur geringfügig jünger und gepflegter war als eines dass heute in Pripjat steht. Das alles war dennoch wenige Sekunden später komplett vergessen als wir direkt vor den Eingang gefahren wurden und uns eine Menge schick gekleiderter Studenten empfangen wollten. Ich muss sagen, ich hab da nicht schlecht gestaunt, aber gleichzeitig auch etwas geschämt. Mir gefällt solche Aufmerksamkeit nicht, zumindest nicht wenn es nicht unmittelbar mit Leistungen meinerseits einhergeht. Und hier? Hier habe ich mich nur ins Flugzeug gesetzt und wurde hergefahren, das wars. Erst einige Zeit später sollte mir das Verhalten erklärt werden: Inder sind gastfreundlich - durch und durch! Und wenn da gehört es zum guten Ton einiges aufzufahren für ihre Gäste - hätte es in Deutschland nicht gegeben...



Uns wurden direkt zur Begrüßung eine Kette aus Jasminblumen übergehängt und zwei Punkte (fühlte sich an wie eine Mischung aus Lehm und Farbe) auf und Stirn gemacht. Symbolisch hat das mit der Verbindung zu den (Hindu?-)Göttern zu tun, was das bei einer Begrüßung von Christen soll ist mir weiterhin schleierhaft.

Es ist ein seltsames Gefühl zwischen all den lächelnden Menschen hindurchzuwandern, aber kam nicht umhin zu bemerken dass die Fröhlichkeit ansteckend war. Wir wurden ein Stockwerk hinauf in den Computerraum der Uni geführt wo wir einen mit rotem Tuch bedeckten Tisch vorfanden - offenbar unser offizieller Empfangsraum. Und tatsächlich, es dauerte nicht lang als wir Prof. Raveentran kennenlernten. Ein kleingewachsener Mann der das Lächeln ebenso nicht verlernt hatte wie Prof Faisal - wobei man hier schon beinahe von einem Grinsen sprechen kann. Er ist mir sofort sympathisch. Was aber auch damit zusammenhängt dass er zu den (bis jetzt) wenigen Indern gehört deren Englisch man versteht und mit denen man ohne große Anstrengungen kommunizieren kann. ...ich hoffe im Stillen dass es an mir und meinen Hörgewohnheiten liegt und sich das insgesamt noch bessert.

Nach wenigen Worten des Professors wurden uns auch schon außergewöhnliche Getränke angeboten - für mich ein absolutes Highligh! Kokosnüsse!
(Daraus kann man sicher auch guten Schnaps machen........... ;) )


Es dauert nicht lang, dann werden wir auch schon nach draußen und in eine Art Audimax geführt. Es erinnert mich mit all den Holzbänken an ein altes Klassenzimmer zu Beginn des 20. Jahrhunderts - ein solches habe ich einmal in der Grundschule besucht. Wir werden zu einer kleinen Bühne geleitet auf der viele Stühle aufgereiht sind. Dahinter prangt ein Plakat mit "Hezrlich Willkommen" - ein Stück zuhause so etwas nach solchen Tagen zu lesen - ich bin gerührt. An die Blicke die mir, wahrscheinlich wegen meiner blonden Haarfarbe, zugeworfen werden, habe ich mittlerweile gewöhnt.


Die "Delegation of Germany" wird gebeten auf der Bühne Platz zu nehmen, ehe Prof. Asokan ein paar Worte spricht. Später sollten wir uns noch einzeln vorstellen. Ich war der erste. Schritt bedacht ans Rednerpult und war heilfroh, dass ich so viel in der Hochschule reden musste, auch in englischer Sprache zuletzt. Die Situation schien mir vertraut, keine Anspannung, im Gegenteil, ich freute mich darauf etwas sagen zu dürfen. Es war mir ein Bedrüfnis einmal den Eindruck zum Ausdruck zu bringen, den mir der Empfang gegeben hatte. "I'm proud and it is an hounour to be here. Thank you for the warm and hearty welcome." ...waren einiger meiner Worte. Ich war in der Tat absolut überwältigt wie wir hier begrüßt wurden, für Deutsche absolutes Neuland, aber deshalb nicht minder schön.

Ein weiteres Highlight waren Studenten die feierten wie wild. Gingen durch die Gänge der Hochschule und die Vorlesungsräume, trommelten und tanzten ausgelassen. Warum sie das taten weiß ich nicht mehr genau, ich glaube aber weil sie eine Election (Wahl) gewohnnen hatten... oder ihren Degree (Abschluss) bekamen. Einer der Studenten sah mich fordernd an und machte dann eine einladende Bewegung mit der Hand. Ich sollte mitmachen. In diesem Moment fühle ich mich zugegeben abermals etwas unbehaglich, aber in einer Millisekunde beschloss ich "Jetzt bist du hier, jetzt machst du auch alles mit. Sollst ja schließlich was von Land und Leuten lernen und dass es für Europäer ungewohnt oder albern scheinen kann, war die ja vorher klar. Also los jetzt!"




Gesagt getan! Ich tanzte ausgelassen mit, schrie, war mittendrin und wurde gleich akzeptiert. Überragend wenn man seine Hemmschwelle dahingehend einmal überwunden hatte!

Etwas wunderte mich aber doch: wie viel kommunistische Symbole auf dem Campus zu sehen waren. Hammer und Sichel, Che und rote Sterne überall. Später erklärte man uns, und das deckte sich auch mit der Symbolhäufigkeit im ganzen Bundesstaat, dass besonders Kerala sehr sozialistisch (nicht kommunistisch) geprägt ist und das fast die Hälfte des Landesparlaments aus Sozialisten bestand. Offenkundig waren Universitäten hier ein Platz des politischen Austausches, mehr als in Deutschland heute.

Was schön ist: Heute war endlich Gelegenheit einmal mit den Studenten zu sprechen, und so bekam jeder Deutsche, eine Gruppe Inder, die ihn ausquetschten. Was ich dort alles erfahren habe, werde ich in einem extra Blog einmal zusammenfassen, da sich dieses Ritual noch einige Male wiederholen soll. Jedenfalls fühlte ich mich nach den Gesprächen schon deutlich wohler hier. Menschen mit denen man sich austauschen kann helfen immer bei Fernweh, das kannte ich ja schon.

Am Nachmittag, nach dem wir zu Mittag gegessen hatten, wurden wir noch an einen Aussichtspunkt geführt, der uns das arabische Meer zeigte - wunderschön.



Damit war der Tag aber noch nicht beendet. Wir besuchten ein zweites Fort, ganz in der Nähe. Wir kamen an Schulkindern vorbei, die uns freundlich zu winkten - hätts in Deutschland auch nicht gegeben. Auf einem Punkt, auf dem wir die ganze Festung überblicken konnten, sahen wir in Richtung Meer Kinder Fußball spielen, ein Stück Zuhause. Natürlich wollten wir mitspielen, aber vorerst galt es die Aussicht zu genießen. Weiter sahen wir auch das erste Anzeichen von Christentum in Indien: eine christliche (ich würde sogar fast sagen katholische) Schule, in der Kinder aufgereiht wurden wie im Militär (auf Nachfrage erklärte man mir, das macht man um die Kinder Disziplin zu lehren), dann sahen wir einen Friedhof der aber vom Aussehen her deutlich in Richtung Spanien/Portugal ging (auch hier fragte ich nach, ob es denn auch Hindi-Friedhöfe gibt, man erklärte mir Hinduismus und Budhismus gehören zum selben Verein an, wie auch Muslime und Christen zusammengehören, und dort sei es Sitte, die Menschen, sofern sie das Kleinkindalter übertreten hatten, zu verbrennen, damit hat die Seele die Möglichkeit aus ihrem irdischen Gefäß zu entfliehen und wiedergeboren zu werden), außerdem sahen wir eine Kirche und die sah so aus wie Kirchen normalerweise überall aussehen ;)





Nach unserem Ausflug hatten wir kurz Zeit um uns auszuruhen, dann wurden wir auch schon wieder zum Essen abgeholt. Meist sind wir dann erst zwischen 9 und 10 Uhr abends im Hotel und haben wirklich mal etwas Zeit für uns. Ihr seht warum ich die erste Zeit gar nicht schreiben konnte, irgendwann muss man sich ja auch noch erholen müssen. Jetlag ist ja immernoch da, viel zu viel neues den ganzen Tag und dann keine Ruhe. Kein Wunder dass ich da später krank werden sollte...

David

Samstag, 16. November 2013

Tag 0 und 1 - Abflug über den Tellerrand


Glick auf liebe Mitmenschen und Welcome to the world outside you know


Tag 0, 01.11.2013 - Abflug

Wenig Schlaf und viel Stress in der letzten Woche. Keine guten Voraussetzungen für eine Reise, die fast einen Tag dauert…
Freitag 01.11.13 um halb 6 aufgestanden, mit dem Auto nach Frankfurt gefahren und gegen 7 am Flughafen angekommen. Das ganze Prozedere ist für einen Flugneuling wie mich leicht verwirrend, aber meine Kommilitonen helfen gern. Check in verlief reibungslos, Tasche unter 10kg (bleibt für den Rückflug 20kg übrig ;) ), Handgepäck knapp 6kg (trotz Laptop!), läuft. Duty Free erst einmal Whiskey kaufen, soll ja den Magen desinfizieren. Freilich haben wir auch zunächst darüber gelächelt à la „wir saufen und jetzt unter gutem Vorwand jeden Tag die Hucke voll“, aber das wird schon einen Tag später vergehen… Vorm Sicherheitscheck noch einmal schnell von Familie telefonisch verabschiedet und noch mit Rätselbuch und Metal Hammer eingedeckt. Dann geht es auch schon los. Für mich war die Sicht aus dem Gate hinunter auf unser Flugzeug von der Etihad-Airline etwas Besonderes. Für mich ist es der vierte Flug überhaupt in meinem Leben, und der erste endete mit einem Sprung aus dem Flugzeug. Der erste Langstreckenflug also. Den meisten Bammel hatte ich davor, was ich denn in der ganzen Zeit auf dem Flug tun sollte. Zwar wurde mir erzählt es würden Filme gezeigt, aber mir war nicht klar ob die arabisch oder doch englisch sein würden.



Sitzplatz neben einen netten Triathleten gefunden, der noch etwas verkatert war. Er erzählte mir später, er habe Abschied gefeiert und würde nach Thailand fliegen. Ich fragte warum ausgerechnet Thailand, und er antwortete er habe Hangover 2 im Kino gesehen und habe direkt im Anschluss mit seinen Freunden den nächsten Flug gebucht. Und nun sei er für 2 Monate da. Es sei billig und das Drehkreuz für alle interessanten fernasiatischen Länder. Ich überlege mir kurz nicht evtl. Thailand auf meine Liste der Länder zu setzen, die ich noch besuchen will, aber verwarf die Idee dann doch erst mal. Eine geschlagene dreiviertel Stunde warteten wir im Flugzeug, ehe Bewegung eintrat. Die ganze Zeit lief Werbung von Etihad und Abu Dhabi auf den kleinen Displays vor uns. Ich war erschrocken über die geringe Beinfreiheit auf einem Interkontinentalflug. Dann ging es los. Ewiges auf der Rollbahn rumfahren – Frankfurt scheint in dem Punkt etwas größer zu sein – dann der Start! Auf diesen Augenblick freute ich mich am meisten. Der Geschwindigkeitsrausch hatte mich bereits auf dem ersten Linienflug Berlin – Stuttgart beeindruckt, und auch jetzt machte es mir Spaß, allerdings weniger als ich hoffte. Es ist scheinbar wie mit allen Drogen, die Wirkung lässt nach und du gierst nach immer mehr um noch einmal das Gefühl des ersten Males zu haben. Das Abheben selbst war seltsam. Wie mit verbundenen Augen Achterbahn fahren. Du weißt nie wohin es geht (aufwärts, abwärts, seitwärts) und siehst es auch nicht, aber dein Körper spürt es. Deutlich. Zugegeben, mir bereitete das etwas Unbehagen.

Mein Hirn stellte sofort auf Englisch um, so dass mir auch nicht die Werbung entging. Nach einiger Zeit in der Luft stellte der Bildschirm von Flugdaten (wie Geschwindigkeit, Höhe, Temperatur etc.) auf, naja, ich nenne es jetzt mal, Entertainmentmediathek um. Ich war schlicht absolut überwältigt von den Angeboten! Spiele, Filme, Serien, Nachrichten, Flugdaten, Karten, K A M E R A S ?!?! (man kann tatsächlich mit Kameras aus dem Flugzeug schauen – wie bei Call Of Duty 4… Fehlt nur noch die Thermo- und Nachtsichtoption) Unfassbar. Ich startete mit dem klassischen Space Invaders. :D 

Mit knapp tausend km/h zischten wir über die Wolken. Eine Wahnsinnsgeschwindigkeit, kaum vorstellbar, zumal auch irgendwann sämtliche Bezugspunkte verschwinden, was aber auch normal ist bei einer Flughöhe von etwa 10km. Der Kapitän stellte sich vor und kündigte prompt die ersten Turbulenzen an. Zugegeben, etwas mulmig war mir da schon, aber ich dachte mir „Wenn ich schon zu Grunde gehe, dann wenigstens mit Action.“ Galgenhumor. 


Unser Flugzeug war eine A330. Geplant waren etwa 5:50h Flugzeit, was mich überraschte, ich hatte eigentlich mit mehr gerechnet. Nach etwa einer Stunde war ich weiter von zuhause entfernt, als ich es je war – und flog über die (wahrscheinlich) schöne Stadt Budapest. Halb 2 erreichten wir dann das Schwarze Meer. Dreiviertel 2 Lunch über Ankara (fühle mich wie Globetrotter). War überrascht wie gut das Essen war und vor allem wie viel!






Gelber Reis, links irgendwas was etwas nach pflaume schmeckt, rechts schmeckt arg nach ungarischer Küche, oder das was ich darunter kennengelernt habe, Mangosaft ist der Hammer, Butter aus Schleswig-Holstein, Sahne aus Bayern, da fällt der Abschied nicht schwer. Das Dessert war übrigens der kulinarische Höhepunkt bis dahin! So verdammt lecker!!
Halb 3 werden wir dazu angehalten die Gurte zuzumachen, es soll die angekündigten Turbulenzen geben. Überlege mir ob ich nach dem Essen und während dem Geschaukel noch einen Kaffe gönne, entscheide mich dann für Cappuccino. Mein Sitznachbar erzählt die Geschichten von Thailand. 

Uns werden gerade heiße Tücher angeboten. Habe ausversehen eins angenommen, ehe ich wusste was es war. Weiß nicht wofür es ist. Komme zur Erkenntnis: Wenn sich mir der Grund nicht automatisch erschließt, ist es auch nicht nötig.

15:20Uhr (18:30Uhr Ortszeit) sehe ich meinen ersten Sonnenuntergang über den Wolken. Rechts (wo ich saß) verschwindet die Sonne, links sieht man bereits in die Nacht. Unfassbar wie sich die durch die Sonne rot gefärbten Wolken um die Berge der Vereinigten Arabischen Emirate schlingen. Malerisch.





Viertel 5 sehe ich Kuwait bei Nacht. Beeindruckend. Dreiviertel 5 erzählt der Kapitän was von 31°C… ich glaub er lügt, sitze mit Pullover hier. Aber auch nur, weil ich nicht wusste wohin damit, warm genug war es im Flugzeug, aber Platz… naja.



Ankunft in Abu Dhabi. Eine Luftwand wie in einem Gewächshaus, Sand auf dem Gehsteig. Habe Lust hier zu bleiben. Flug war angenehm. mittlerweile ist es hier um 9, in Deutschland ist es um 6, fühle  mich wie um 12 mittags, hoffe ich werde den nächsten Tag ohne Schlaf überstehen um so in den Rhythmus reinzukommen. Bis jetzt bin ich nicht müde.
Die bequeme Bundeswehrhose für den langen Flug anzuziehen war angesichts meines jetzigen Schwitzens möglicherweise nicht die beste Idee. Ich musste kurz schmunzeln als wir das Innere des Air Ports betraten: Trotz all der neuen Eindrücke, andere Sprachen und Kulturen, fühle ich mich nicht fremd, es erscheint mir alles noch normal. Habe wohl zu viel fern gesehen. Ich erinnere mich grad daran, dass es Inder nicht so mit der Zeit haben wie wir, ein anderes Verständnis eben. Ich befürchte nun, dass wir stundenlang am Airport Calicut festsitzen werden… Nunja, zumindest werde ich in Indien dann den zweiten Sonnenaufgang heute sehen! (Heute = innerhalb von 24 Stunden)

Komische Welt. Die Frauen müssen als erstes einchecken, die Anweiserin, eine kräftig gebaute, dunkelhäutige Frau in blauer Uniform, führt ein hartes Regiment. Etwas irritiert und leicht verärgert war ich als wir Männer dann plötzlich gedrängt wurden und es nicht schnell genug gehen konnte. Mein Gedanke dazu wortwörtlich: „Erst lassen sie sich Zeit und dann wirste wie Vieh abgefertigt!“ Zumindest erheiterte mich bald der Kommentar von Flo zu Freundin Mara: „Wir sind hier auf neutralem Boden, hier darf ich alles mit dir machen…“ Als wir 19 Uhr mit den Kontrollen durch und uns im Shuttlebus zum nächsten Flugzeug befinden, beginne ich doch langsam müde zu werden. Der Flug nach Abu Dhabi war so voll und aufregend, dass ich auch schlicht nicht schlafen konnte. Schließlich war am selben Wochenende dort auch Formel 1 – klar dass sich da jeder reinquetscht, der kann.

20 Uhr (23 Uhr Ortszeit):  Haben gute Stunde zu warten weil der uns zugewiesene Slot besetzt wurde von Flugzeugen, die den Luftraum brauchen, das sei nicht besonderes für die Uhrzeit, zumindest soweit ich das verstanden habe. Sie versuchen uns mit Katzenvideos zu besänftigen, einige Inder lachen herzlich darüber und ich stimme mit ein. Wir befinden uns nun in einem kleineren Flugzeug mit 2x3 Sitzreihen. Bin froh dass ich im Gang sitze und keiner in der Mitte, denn es riecht seltsam. Stark, wie der Bruder von Moschus. Habe Angst dass das noch schlimmer wird. überhaupt habe ich das dringende Bedürfnis mich zu betrinken. Einerseits freue ich mich auf all die Erlebnisse, andererseits fürchte ich allmählich dass ich mich öfters ekeln könnte als mir lieb ist…

Nunja. Bin immernoch satt vom Essen des ersten Fluges und kann kaum das Angebot dieses Fluges übersetzen, weshalb ich wohl blind aus Neugier irgendwas probieren werde. Julian meinte, das australische „Fosters“ wäre als Bier brauchbar. Sie bieten hier zwar Heineken an, aber davon war ich nie Freund. 20:12 Uhr, das Flugzeug bewegt sich. Endlich! 




22:44 Uhr habe eben Internship zu Ende geschaut. Netter Film, leichte Kost für die Uhrzeit. Es folgt eine Hälfte World War Z. Auf der Toilette kratzt mein Essen der letzten Stunde gefährlich nahe an meiner Speiseröhre. Es riecht furchtbar ekelerregend und übertrieben künstlich. Nach etwas, was Inder wohl Parfum nennen. Ich nenne es eine Mischung aus Curry, Pflaume und Moschus - kurz: widerlich. Aber nicht ganz so schlimm wie das, was alte Frauen oft pflegen bei uns zu tragen… kiloweise. 


Tag 1, 02.11.2013 - Hallo, mein Name ist Indien!

00:09 Uhr (4:39 Uhr Ortszeit): Vor 3 Minuten gelandet. Fühle mich immernoch als würde das Flugzeug bremsen. Die Leute hier standen schon in den Gängen unseres Flugzeuges, als wir nicht einmal in der Nähe unseres Stellplatzes waren. Keine Geduld oder es gibt etwas umsonst. Ersteres sollte sich einige Zeit später als richtig herausstellen… Es sind 24°C draußen, und dabei ist es halb 5 Ortszeit, in ruhigen Momenten werde ich immer müder….noch ein Tag vor mir… Schwül und Regen. Die Inder sehen teils dunkler aus als erwartet. Die Erde dreht sich, fühl mich etwas wie betrunken. Toiletten auf dem Flughafen sind furchtbar, kommt mir vor wie alte DDR-Architektur, die Jahrzehnte lang nicht gewartet, aber genutzt wurde. 



Um 1: Geld tauschen. Dauert ewig. 7300 Rupien für 100€, eigentlich müssten wir 500 mehr kriegen. Entgegen aller Erwartung mussten wir nicht warten, sondern Professor Faisal wartete auf uns. (Oho – Pünktlichkeit?!?) Die Fahrt war mehr(!!!) als abenteuerlich! Ich lachte des Öfteren um meine Nervosität zu verbergen. Der Verkehr Indiens ist unvergleichbar mit dem was Europäer kennen. Auf dem ersten Blick wirkt alles sehr hektisch, chaotisch, konfus, lebensmüde. Fahrer die Hupen erscheinen mir nun als die vernünftigeren und sichereren, aber deshalb nicht zu den passiveren. Sie hupen wenn sie überholen, damit das zu überholende Fahrzeug ja ganz weit links bleibt (wir haben hier Linksverkehr). Es dauert nur kurz, bis man sich an die rechts überholenden Fahrzeuge gewöhnt hat. Schlimmer ist das Überholen selbst. Inder fahren immer ihr eigenes Tempo, egal was die Straßenverkehrsordnung vorgibt. Jeder fährt so schnell er kann. (die meisten Fahrzeuge schaffen aber nicht mehr als  80km/h, weil sie gedrosselt wurden… aus gutem Grund wie ich finde). Erkenne bald eine weitere Regel im Straßenverkehr: „Wenn Platz ist, passt auch immer noch ein Gefährt rein!“ Oder auch: „Überholt werden darf immer.“ Oder: „Rote Ampeln dienen zur Dekoration.“ Wir sahen uns nicht nur einmal mit dem Gegenverkehr konfrontiert, der ungeachtet unseres Überholvorgangs auf uns zu steuerte. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich durchaus Angst hatte. Die erste halbe Stunde. Dann resignierte ich und vertraute übermüdet mein Leben dem Fahrer ohne Widerworte an.

Es ist kaum zu realisieren, diese ersten Stunden in einem Land, welches wir maximal im Ansatz aus dem Fernsehen kennen. Palmen überall, überraschend gute Straßen (da kann sich die A81 teils was von abschneiden!), entlang der Wege Häuser die teils sehr bunt, teils sehr trist wirken. Allesamt haben Risse, oder sind mit Müll überseht oder sind schlicht kaputt. Indien könnte so viel schöner sein. 

Es dauert nicht lang, als wir zum Frühstück geladen wurden. Ich war sauer, war ich doch eben erst eingeschlafen in diesem unbequemen Bus, in der ich auf einer Arschbacke saß und mein Gepäck mir jegliche andere bequeme Position verweigerte. Das Frühstück war das mir Fremdeste, was ich je erlebt habe. Unterschiedlicher hätte es nicht sein können. Und ich war auch mit der Situation deutlich überfordert. Überall war es dreckig und unhygienisch. Waschen konnten wir uns auch nicht, weil das Wasser keimverseucht ist. Das Essen selbst war scharf und warm – typisches Frühstück, so sagte man mir. Als Getränk bekamen wir Wasser und Kaffee. Es schmeckte nur nicht wie Kaffee, sondern wie Eiskaffee, nur warm. Also sehr süß. [Anmerkung: ich sollte erst viel später herausfinden, dass das Tee mit Milch war…]



Auf unserer Reise, die kaum die 40km/h-Grenze überschritt, wurden wir abermals geweckt um die Statue von einem Verwandten von Hermann Hesse zu bewundern, dessen Name ich aber noch nie gehört hatte. Hermann Gunternt oder so ähnlich. Würde da Kerry King, oder James Hetfield stehen, wüsste ich sofort wer gemeint ist…

Wir fuhren von Calicut in Richtung Norden. Durch Gebiete die von Portugiesen einst besetzt waren, teils aber auch von Franzosen, die den Weinanbau mitbrachten. Und so brauchen wir für etwa 80km zwischen 2 und 3 Stunden. Genau habe ich dann nicht mehr auf die Uhr gesehen.
Ich kann nicht mehr. Es ist halb 10, liege im Bett und schlafe jetzt obwohl es überall bestialisch stinkt. Habe meine Zweifel dass ich mich daran gewöhnen werde. Bin angewidert aber zu kraftlos um dagegen irgendwie zu protestieren.

Nach einigen wenigen Stunden erholsamen Schlaf (mehr wollte ich mir nicht genehmigen um dann bei Zeiten wirklich schlafen zu können) gingen wir das erste mal auf Erkundungstour in dieser fremden Welt. Kannur ist jetzt nicht die schönste Stadt, wie wir feststellen mussten. Es wirkt alles sehr befremdlich. Menschen verhalten sich nach ungeschriebenen, gesellschaftlichen Regeln, die wir einfach nicht kennen. Die Straße zu überqueren ist ein gutes Beispiel dafür, da muss man als Ausländer schon sehr mutig sein in diesem gefährlichen Wirrwarr an Fahrzeugen hindurch zu schlüpfen. 




Am Abend lädt Professor Faisal uns zum Essen ein. Das Gebäude ist ein Turm mit mehreren Stockwerken in denen gegessen werden kann. Wir bekommen das oberste und damit den besten Ausblick auf die mittlerweile schon dunkle Stadt. Ich muss zugeben, ich war sehr angetan vom indischen Essen. Ein wenig scharf, aber alles noch erträglich. Teils verdammt lecker. In Indien isst man grundsätzlich mit der Hand, und dann auch noch mit der rechten – da die linke als schmutzig erachtet wird (warum, werde ich erst später feststellen). Das Essen mit der bloßen Hand zu berühren und damit im wahrsten Sinne des Wortes „rumzumatschen“ war eine größere Umgewöhnung, als es mit rechts zu essen (bin Linkshänder). Jetzt versteht sich auch die Sitte, dass man in der Nähe eines Essensraumes oder gar im selbigen (wie bei uns in dem Fall) grundsätzlich ein Waschbecken vorfindet. Nie war Hände waschen wichtiger als jetzt. 




Am späteren Abend sitzen wir noch gemütlich auf unserem Zimmer und spielen etwas, auch um etwas runter zu kommen und den Schock gemeinsam zu verdauen. Ich muss zugeben, ich fühl mich unbehaglich und unwohl. Vor allem, weil ich diesen Ort nicht ohne weiteres verlassen kann, wie es mir beliebt. Aber, die Hoffnung stirbt zuletzt.

David

Freitag, 15. November 2013

Tag 2 - 03.11.2013, So



Glick auf liebe Mitmenschen!

Der Zeitplan ist deutlich straffer als erwartet, weshalb ich nun halb 8 (3 Uhr nachts nach deutscher Zeit) morgens in der Lobby unseres Hotels sitze (der einzige Ort mit Internet und natürlich komplett überfordert wenn wir als Gruppe rein möchten) und versuche kurz (leider) zusammenzufassen, wie es hier ist. Tag 1 begann ich bereits zu schreiben, aber habe nach 4 A4-Seiten erstmal aufgehört - da kommt noch einiges hinterher!

Tag 2 - 03.11.2013, Sonntag

Der Tag beginnt früh, zu früh. Jetlag macht sich bemerkbar. Für mich ist es wortwörtlich noch mitten in der Nacht, mein Körper hat sich noch nicht an die neue Zeit gewöhnt. Es steht ein Besuch des Forts Angelo an. Es gibt einen Grund warum wir so früh raus müssen, um 8 sollten wir bereits vor Ort sein, denn ab 9 wird es zu heiß sein - selbst für Einheimische.

Professor Faisal, der erste der Professoren die wir von der Kannur University kennengelernt haben, ist einen echte Granate. Offen, erzählt viel, hat stets ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen und ist denke ich ein Musterbeispiel für einen Inder. Inder sind grundsätzlich offener als Deutsche und scheinbar auch vorurteilsfreier. Hier leben sämtliche Religionen auf einem Platz (Prof. Faisal selbst ist Moslem) und keiner urteilt über den anderen. Im Gegenteil, hier wird versucht zu erfahren, was andere erfahren haben und ihnen widerfahren ist. Das ist wirklich schön zu spüren, dass Menschen so sein können.

Wie dem auch sei. Das Fort selbst ist portugiesisch und gehört zu dem Raum, wo Vasco Da Gama in Indien landete. Es vermittelt einen ersten Eindruck wie sich Indien und Europa einst begegneten und zeigt, was Inder aus europäischen Bauten machen können. Einst ein Ort für Krieg und Gefangenschaft, ist das Fort heute ein einzelner Garten mit Meerausblick.
Das Meer... Das arabische Meer. Wunderschön.
  



Die Wellen schlagen so kraftvoll an die Klippen, dass es mir den Atem raubt. Könnte aber auch daran liegen, dass die Sonne mittlerweile meinen Kopf wegbrennt und ich Angst habe nach einer halben Stunde an der frischen Luft Sonnenbrand zu bekommen. Hier treffen wir aber auch eine Gruppe indischer Schüler. Ich selbst werde öfters mit kichernden Blicken angeschaut und um Fotos gebeten - blond Maniac werde ich bald genannt werden. 






Für das Nachmittags-/Abendprogramm werden wir in einen Hindu-Tempel eingeladen. Wie wir später erfuhren, ist heute ein besonderer Tag und wir können eine, ich nenne es jetzt mal in Ermangelung eines besseren Begriffes, religiöse Vorstellung bestaunen. Soweit ich das verstanden habe, geht es um einen Beschützer und Zerstörergott. Ich glaube der eine war Krishna, aber nagelt mich nicht drauf fest. Dem einen werden Opfergaben in Form von Reis und Wasser dargebracht, nachher folgt eine Segnung (gegen einen Obulus) und ein Kampf der beiden Götter. Sehr farbenfroh gekleidet und geschminkt sind die beiden jedenfalls. 







Untermalt wurde der traditionelle Tanz (ob das Zufall ist, dass der am Wochenende des Lichterfestes, eines der größten kulturellen Ereignisse Indiens, stattfindet?) mit Getrommel. Besonders ein kleiner Junge zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Trotz seines Alters beherrscht er das, für Laien einfach aussehende, Instrument und blastet [ist eine Technik mit der man Drumsticks ziemlich schnell bewegen kann - googelt mal, wer es genau wissen möchte] zwischendurch sogar!

 [eigentlich wollte ich ein Video dazu hochladen, aber die Verbindung ist zu grottig]

Dennoch, nach einer gewissen Zeit wird es langweilig. Und so bestaunen wir den Rest des Tempel-Geländes, teils barfuß. Unspektakulärer als ich erwartete. Grundsätzlich aber sauberer, als der Rest den wir bis dato von Indien gesehen haben. Julian meinte kurz einen Flughund gesehen zu haben, ich sah nur eine von mir erschlagene Mücke auf meinem Fuß, aus der sich mein Blut ergoss. 
David 1 : Indische Mücke 0.

Nach Einbruch der Dämmerung konnte ich das erste mal ein paar Sterne sehen. Sofort fiel mir einer ins Auge, der so hell war, dass man meinen könnte in der Ferne habe ein Motorrad sein Fernlicht eingeschaltet. Allem Anschein nach der Südstern.

Am Abend fiel ich komplett fertig ins Bett. Die Zeitumstellung ist härter als ich angenommen hatte. Ständige Müdigkeit und kein Schlaf der anzuschlagen scheint. Mir graut es ein wenig vor der kommende Woche in diesem Hinblick. 

David