Glick auf liebe Mitmenschen,
die, die mich kennen, wissen, dass ich stolzer Sachse bin. Der Freistaat war und ist seit jeher meine Heimat, auch wenn ich schon lange nicht mehr wirklich da wohnte. Nach meinem Abitur begann eine Verwandlung, die mich extrem prägte und von der ich berichten möchte.
Seit ich Teenager war und nach mir selbst suchte, der Person der ich bin und die ich sein möchte, wollte ich nichts lieber als meine Heimat zu verlassen. Neues kennenlernen, der Lethargie des Landlebens und der immer gleichen Feiern der immer gleichen Freunde entfliehen.
Es war eine Zeit des Umbruchs und der Beginn des Erwachsenwerdens. Nach meinem Abitur leistete ich meinen Grundwehrdienst in Niedersachsen ab. Ironischerweise hatte ich mich für eine "heimatnahe" Einsetzung stark gemacht. In der Kaserne angekommen lernte ich zum ersten mal ein Fremdbild von mir kennen, welches ich vorher nicht kannte: ich war nicht David, nicht der Sänger einer mittlmäßig bekannten Band aus dem Südwesten Sachsens, ich war kein Sachse, ich war "Ossi".
Das unterstützte natürlich auch mein Dialekt, der bei weitem nicht so stark ausgeprägt war und ist, wie der der älteren Generation, aber er leistete seinen Beitrag. Ich war in der Schublade und sollte da auch nicht mehr so schnell herauskommen.
Es war eine seltsame Erfahrung. Zum einen hatte ich den inneren Wunsch mich anzupassen, dem hiesigen, kulturellen Anspruch zu genügen (was auch immer das dort heißen mochte), zum anderen war ich "Patriot" und stolz auf meine Heimat. Aber meine Heimat hatte dort kein Gewicht, mein "Patriotismus" wurde an den guten Tagen "nur" belächelt.
Diesen Spagat lernte ich erst in meiner Studienzeit bei Stuttgart. In der Marketingvorlesung, die ein stolzer Franzose mit eindeutigem Dialekt hielt, lernte ich eine unglaublich wichtige Sache: Surfe auf der Wellte der Vorurteile dir gegenüber!
Was aber heißt das für einen Sachsen (Ja, mittlerweile war ich dazu übergegangen Sachse zu sein, denn ein regionaler Unterschied hörte 100km nach der Grenze zum "Westen" schlagartig auf)?
Um Werner, aus dem Film "Das muss kesseln zu zitieren": "Aus 'ner Waschmaschine bau'n wir 'ne Enterprise!" Und wirklich. Waren wir Ossis nicht wahre Lebenskünstler? Konnten wir nicht aus Nichts das bauen oder besorgen, was wir eigentlich nicht haben konnten? Haben wir uns nie selbst ausgeholfen, wenn Not am Mann oder Ressourcen knapp waren? Der Begriff Shareconomy wird heute vielerseits als das neue Wirtschafts- und Lebensmodell gefeiert, für die ehemaligen DDR-Bürger dürfte das ein sehr alter Hut sein. Natürlich möchte ich mir nicht herausnehmen um zu beurteilen wie das wirklich in der DDR war, ich war noch ein Baby, aber ich kenne die Geschichten meiner Eltern und Großeltern und ich kenne die Mentalitäten des Ostens. Sie sprechen für mich eine sehr eindeutige Sprache.
Und so fing ich an über die typischen Witze, die man über "uns Ossis" machte mitzulachen und konterte selbstbewusst mit allen unseren Vorzügen. Es gelang mir nach einiger Übung unglaublich gut. So sehr, dass ich mich nicht nur als Sachse, sondern auch ein wenig als Schwabe fühlte. Dazu sei erwähnt, ich hatte kaum Kontakt zu Freunden und Familie aus meienr Heimat und passte mich nach einigen Jahren schon sehr an. Doch, und das bedauere ich, nahm ich auch ein wenig die Zugehörigkeit des Ossis an, und der Sachse in mir wurde etwas kleiner.
Ossi. Was heißt das? Im Grunde sind das doch alles Menschen, die in der ehemaligen DDR gelebt haben oder auf dem Gebiet heute wohnen. Doch frage doch einmal einen Mecklenburg-Vorpommer ob er sich mit Thüringen identifizieren kann. Frag doch einmal einen Brandenburger, wie er es mit Sachsen-Anhalt hält. Und dann frage mal einen Saarländer, ob er sich auch als ein Bayer fühlt.
Ich mache meinen Freunden und Kommilitonen "aus der Ferne" keinen Vorwurf. All jene, mit denen ich heute noch Kontakt halte, mögen mich immer ein wenig als Ossi sehen, aber da ist der Begriff nicht negativ behaftet. Ganz im Gegenteil. Ich denke, ein wenig konnte ich dazu beitragen, die Menschen jenseits der alten innerdeutschen Grenze, neu zu bewerten. Und wenn keine Neubewertung notwendig war, umso besser!
Schade an der ganzen Geschichte ist nur, dass ich, der gerade mal Mitte Zwanzig ist, das aufgezwungene Ost-West-Denken nun nicht mehr los werde. Ganz gleich, ob ich der Generation der Wiedervereinigung angehöre oder nicht. Und es ist schade für all meine Freunde die ich kennenlernen durfte, egal ob Niedersachsen, Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen oder sogar meine sächsischen Freunde, die ich seit Kindesbeinen an kenne.
Eine ehemalige Freundin aus vergangenen Ost-Zeiten äußerte sich einmal abfällig über eine Bemerkung, die ich auf Facebook über niedrigen Preis in Zwickau geäußert habe. Da erst wurde mir klar, dass ich zu weit getrieben wurde. Dass ich im Begriff war meine Heimat und mich selbst zu veraten, um im Westen anerkannt zu werden und über die Runden zu kommen. Das tat mir persönlich sehr weh. Denn so stand ich wieder zwischen den Welten und stellte mir wieder die Frage, die mich hat aus Sachsen verschwinden lassen: Wer bin ich und vor allem, wer möchte ich sein?
All das hat mich jedenfalls eines gelehrt: wir leben im Zeitalter von einem Deutschland. Meine Kinder werden dieses Denken jedenfalls nicht mehr haben, da meine Generation maßgeblich an der Einheit beteiligt ist.
Wirtschaftlich haben wir sowieso mehr ein Nord-Süd-, als ein West-Ost-Gefälle. Und jede Region hat ihre ganz eigenen Chaoten, Idioten und liebenswerten Menschen.
Ich jedenfalls bin, als Rückkehrer, wieder stolzer Sachse. Aber auch ein wenig mehr Germanópolit.
die, die mich kennen, wissen, dass ich stolzer Sachse bin. Der Freistaat war und ist seit jeher meine Heimat, auch wenn ich schon lange nicht mehr wirklich da wohnte. Nach meinem Abitur begann eine Verwandlung, die mich extrem prägte und von der ich berichten möchte.
Seit ich Teenager war und nach mir selbst suchte, der Person der ich bin und die ich sein möchte, wollte ich nichts lieber als meine Heimat zu verlassen. Neues kennenlernen, der Lethargie des Landlebens und der immer gleichen Feiern der immer gleichen Freunde entfliehen.
Es war eine Zeit des Umbruchs und der Beginn des Erwachsenwerdens. Nach meinem Abitur leistete ich meinen Grundwehrdienst in Niedersachsen ab. Ironischerweise hatte ich mich für eine "heimatnahe" Einsetzung stark gemacht. In der Kaserne angekommen lernte ich zum ersten mal ein Fremdbild von mir kennen, welches ich vorher nicht kannte: ich war nicht David, nicht der Sänger einer mittlmäßig bekannten Band aus dem Südwesten Sachsens, ich war kein Sachse, ich war "Ossi".
Das unterstützte natürlich auch mein Dialekt, der bei weitem nicht so stark ausgeprägt war und ist, wie der der älteren Generation, aber er leistete seinen Beitrag. Ich war in der Schublade und sollte da auch nicht mehr so schnell herauskommen.
Es war eine seltsame Erfahrung. Zum einen hatte ich den inneren Wunsch mich anzupassen, dem hiesigen, kulturellen Anspruch zu genügen (was auch immer das dort heißen mochte), zum anderen war ich "Patriot" und stolz auf meine Heimat. Aber meine Heimat hatte dort kein Gewicht, mein "Patriotismus" wurde an den guten Tagen "nur" belächelt.
Diesen Spagat lernte ich erst in meiner Studienzeit bei Stuttgart. In der Marketingvorlesung, die ein stolzer Franzose mit eindeutigem Dialekt hielt, lernte ich eine unglaublich wichtige Sache: Surfe auf der Wellte der Vorurteile dir gegenüber!
Was aber heißt das für einen Sachsen (Ja, mittlerweile war ich dazu übergegangen Sachse zu sein, denn ein regionaler Unterschied hörte 100km nach der Grenze zum "Westen" schlagartig auf)?
Um Werner, aus dem Film "Das muss kesseln zu zitieren": "Aus 'ner Waschmaschine bau'n wir 'ne Enterprise!" Und wirklich. Waren wir Ossis nicht wahre Lebenskünstler? Konnten wir nicht aus Nichts das bauen oder besorgen, was wir eigentlich nicht haben konnten? Haben wir uns nie selbst ausgeholfen, wenn Not am Mann oder Ressourcen knapp waren? Der Begriff Shareconomy wird heute vielerseits als das neue Wirtschafts- und Lebensmodell gefeiert, für die ehemaligen DDR-Bürger dürfte das ein sehr alter Hut sein. Natürlich möchte ich mir nicht herausnehmen um zu beurteilen wie das wirklich in der DDR war, ich war noch ein Baby, aber ich kenne die Geschichten meiner Eltern und Großeltern und ich kenne die Mentalitäten des Ostens. Sie sprechen für mich eine sehr eindeutige Sprache.
Und so fing ich an über die typischen Witze, die man über "uns Ossis" machte mitzulachen und konterte selbstbewusst mit allen unseren Vorzügen. Es gelang mir nach einiger Übung unglaublich gut. So sehr, dass ich mich nicht nur als Sachse, sondern auch ein wenig als Schwabe fühlte. Dazu sei erwähnt, ich hatte kaum Kontakt zu Freunden und Familie aus meienr Heimat und passte mich nach einigen Jahren schon sehr an. Doch, und das bedauere ich, nahm ich auch ein wenig die Zugehörigkeit des Ossis an, und der Sachse in mir wurde etwas kleiner.
Ossi. Was heißt das? Im Grunde sind das doch alles Menschen, die in der ehemaligen DDR gelebt haben oder auf dem Gebiet heute wohnen. Doch frage doch einmal einen Mecklenburg-Vorpommer ob er sich mit Thüringen identifizieren kann. Frag doch einmal einen Brandenburger, wie er es mit Sachsen-Anhalt hält. Und dann frage mal einen Saarländer, ob er sich auch als ein Bayer fühlt.
Ich mache meinen Freunden und Kommilitonen "aus der Ferne" keinen Vorwurf. All jene, mit denen ich heute noch Kontakt halte, mögen mich immer ein wenig als Ossi sehen, aber da ist der Begriff nicht negativ behaftet. Ganz im Gegenteil. Ich denke, ein wenig konnte ich dazu beitragen, die Menschen jenseits der alten innerdeutschen Grenze, neu zu bewerten. Und wenn keine Neubewertung notwendig war, umso besser!
Schade an der ganzen Geschichte ist nur, dass ich, der gerade mal Mitte Zwanzig ist, das aufgezwungene Ost-West-Denken nun nicht mehr los werde. Ganz gleich, ob ich der Generation der Wiedervereinigung angehöre oder nicht. Und es ist schade für all meine Freunde die ich kennenlernen durfte, egal ob Niedersachsen, Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen oder sogar meine sächsischen Freunde, die ich seit Kindesbeinen an kenne.
Eine ehemalige Freundin aus vergangenen Ost-Zeiten äußerte sich einmal abfällig über eine Bemerkung, die ich auf Facebook über niedrigen Preis in Zwickau geäußert habe. Da erst wurde mir klar, dass ich zu weit getrieben wurde. Dass ich im Begriff war meine Heimat und mich selbst zu veraten, um im Westen anerkannt zu werden und über die Runden zu kommen. Das tat mir persönlich sehr weh. Denn so stand ich wieder zwischen den Welten und stellte mir wieder die Frage, die mich hat aus Sachsen verschwinden lassen: Wer bin ich und vor allem, wer möchte ich sein?
All das hat mich jedenfalls eines gelehrt: wir leben im Zeitalter von einem Deutschland. Meine Kinder werden dieses Denken jedenfalls nicht mehr haben, da meine Generation maßgeblich an der Einheit beteiligt ist.
Wirtschaftlich haben wir sowieso mehr ein Nord-Süd-, als ein West-Ost-Gefälle. Und jede Region hat ihre ganz eigenen Chaoten, Idioten und liebenswerten Menschen.
Ich jedenfalls bin, als Rückkehrer, wieder stolzer Sachse. Aber auch ein wenig mehr Germanópolit.
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