Montag, 18. November 2013

Tag 3, 04.11.2013 - Ich bin ein Würdenträger?!

Tag 3, 04.11.2013, Montag - Ich bin ein Würdenträger?!

Glick auf liebe Mitmenschen!

Heute heißt es rein in schickere Klamotten und den ersten Campus und seine Studenten besuchen. Ich fühle mich immernoch sehr unbehaglich was Indien angeht, ja eigentlich möchte ich direkt die Flucht ergreifen. Und ehrlich gesagt war ich darüber auch ein wenig entsetzt. Ich habe mich immer für einen toleranten und weltoffenen Menschen gehalten, aber scheinbar reicht das nicht aus wenn man mir nichts dir nichts in eine grundlegend und völlig andere Kultur hineingeschmissen wird und das einzige was man kennt sind Oberflächlichkeiten wie etwa Suzukis und Handys... und selbst die sind nicht die selben. Erschreckend.
Wie dem auch sei, jetzt heißt es a) durchhalten, und b) sich immer wieder sagen dass man sich erst an alles gewöhnen muss, dann wird das schon. Dergleichen kannte ich ja schon von Calw, da habe ich mir das auch über sehr lange Zeit eingeredet und es hat sich ja schließlich auch bezahlt gemacht, wenn auch spät.

Die Fahrt zum Campus war im Vergleich relativ kurz. Als mir dann, kurz vorm Einbiegen in die Auffahrt, letztlich das Schild der Universität auffällt, muss ich ehrlich sagen habe ich nicht schlecht gestaunt. Ich hatte mehr erwartet. Sah aus wie ein Gebäude das nur geringfügig jünger und gepflegter war als eines dass heute in Pripjat steht. Das alles war dennoch wenige Sekunden später komplett vergessen als wir direkt vor den Eingang gefahren wurden und uns eine Menge schick gekleiderter Studenten empfangen wollten. Ich muss sagen, ich hab da nicht schlecht gestaunt, aber gleichzeitig auch etwas geschämt. Mir gefällt solche Aufmerksamkeit nicht, zumindest nicht wenn es nicht unmittelbar mit Leistungen meinerseits einhergeht. Und hier? Hier habe ich mich nur ins Flugzeug gesetzt und wurde hergefahren, das wars. Erst einige Zeit später sollte mir das Verhalten erklärt werden: Inder sind gastfreundlich - durch und durch! Und wenn da gehört es zum guten Ton einiges aufzufahren für ihre Gäste - hätte es in Deutschland nicht gegeben...



Uns wurden direkt zur Begrüßung eine Kette aus Jasminblumen übergehängt und zwei Punkte (fühlte sich an wie eine Mischung aus Lehm und Farbe) auf und Stirn gemacht. Symbolisch hat das mit der Verbindung zu den (Hindu?-)Göttern zu tun, was das bei einer Begrüßung von Christen soll ist mir weiterhin schleierhaft.

Es ist ein seltsames Gefühl zwischen all den lächelnden Menschen hindurchzuwandern, aber kam nicht umhin zu bemerken dass die Fröhlichkeit ansteckend war. Wir wurden ein Stockwerk hinauf in den Computerraum der Uni geführt wo wir einen mit rotem Tuch bedeckten Tisch vorfanden - offenbar unser offizieller Empfangsraum. Und tatsächlich, es dauerte nicht lang als wir Prof. Raveentran kennenlernten. Ein kleingewachsener Mann der das Lächeln ebenso nicht verlernt hatte wie Prof Faisal - wobei man hier schon beinahe von einem Grinsen sprechen kann. Er ist mir sofort sympathisch. Was aber auch damit zusammenhängt dass er zu den (bis jetzt) wenigen Indern gehört deren Englisch man versteht und mit denen man ohne große Anstrengungen kommunizieren kann. ...ich hoffe im Stillen dass es an mir und meinen Hörgewohnheiten liegt und sich das insgesamt noch bessert.

Nach wenigen Worten des Professors wurden uns auch schon außergewöhnliche Getränke angeboten - für mich ein absolutes Highligh! Kokosnüsse!
(Daraus kann man sicher auch guten Schnaps machen........... ;) )


Es dauert nicht lang, dann werden wir auch schon nach draußen und in eine Art Audimax geführt. Es erinnert mich mit all den Holzbänken an ein altes Klassenzimmer zu Beginn des 20. Jahrhunderts - ein solches habe ich einmal in der Grundschule besucht. Wir werden zu einer kleinen Bühne geleitet auf der viele Stühle aufgereiht sind. Dahinter prangt ein Plakat mit "Hezrlich Willkommen" - ein Stück zuhause so etwas nach solchen Tagen zu lesen - ich bin gerührt. An die Blicke die mir, wahrscheinlich wegen meiner blonden Haarfarbe, zugeworfen werden, habe ich mittlerweile gewöhnt.


Die "Delegation of Germany" wird gebeten auf der Bühne Platz zu nehmen, ehe Prof. Asokan ein paar Worte spricht. Später sollten wir uns noch einzeln vorstellen. Ich war der erste. Schritt bedacht ans Rednerpult und war heilfroh, dass ich so viel in der Hochschule reden musste, auch in englischer Sprache zuletzt. Die Situation schien mir vertraut, keine Anspannung, im Gegenteil, ich freute mich darauf etwas sagen zu dürfen. Es war mir ein Bedrüfnis einmal den Eindruck zum Ausdruck zu bringen, den mir der Empfang gegeben hatte. "I'm proud and it is an hounour to be here. Thank you for the warm and hearty welcome." ...waren einiger meiner Worte. Ich war in der Tat absolut überwältigt wie wir hier begrüßt wurden, für Deutsche absolutes Neuland, aber deshalb nicht minder schön.

Ein weiteres Highlight waren Studenten die feierten wie wild. Gingen durch die Gänge der Hochschule und die Vorlesungsräume, trommelten und tanzten ausgelassen. Warum sie das taten weiß ich nicht mehr genau, ich glaube aber weil sie eine Election (Wahl) gewohnnen hatten... oder ihren Degree (Abschluss) bekamen. Einer der Studenten sah mich fordernd an und machte dann eine einladende Bewegung mit der Hand. Ich sollte mitmachen. In diesem Moment fühle ich mich zugegeben abermals etwas unbehaglich, aber in einer Millisekunde beschloss ich "Jetzt bist du hier, jetzt machst du auch alles mit. Sollst ja schließlich was von Land und Leuten lernen und dass es für Europäer ungewohnt oder albern scheinen kann, war die ja vorher klar. Also los jetzt!"




Gesagt getan! Ich tanzte ausgelassen mit, schrie, war mittendrin und wurde gleich akzeptiert. Überragend wenn man seine Hemmschwelle dahingehend einmal überwunden hatte!

Etwas wunderte mich aber doch: wie viel kommunistische Symbole auf dem Campus zu sehen waren. Hammer und Sichel, Che und rote Sterne überall. Später erklärte man uns, und das deckte sich auch mit der Symbolhäufigkeit im ganzen Bundesstaat, dass besonders Kerala sehr sozialistisch (nicht kommunistisch) geprägt ist und das fast die Hälfte des Landesparlaments aus Sozialisten bestand. Offenkundig waren Universitäten hier ein Platz des politischen Austausches, mehr als in Deutschland heute.

Was schön ist: Heute war endlich Gelegenheit einmal mit den Studenten zu sprechen, und so bekam jeder Deutsche, eine Gruppe Inder, die ihn ausquetschten. Was ich dort alles erfahren habe, werde ich in einem extra Blog einmal zusammenfassen, da sich dieses Ritual noch einige Male wiederholen soll. Jedenfalls fühlte ich mich nach den Gesprächen schon deutlich wohler hier. Menschen mit denen man sich austauschen kann helfen immer bei Fernweh, das kannte ich ja schon.

Am Nachmittag, nach dem wir zu Mittag gegessen hatten, wurden wir noch an einen Aussichtspunkt geführt, der uns das arabische Meer zeigte - wunderschön.



Damit war der Tag aber noch nicht beendet. Wir besuchten ein zweites Fort, ganz in der Nähe. Wir kamen an Schulkindern vorbei, die uns freundlich zu winkten - hätts in Deutschland auch nicht gegeben. Auf einem Punkt, auf dem wir die ganze Festung überblicken konnten, sahen wir in Richtung Meer Kinder Fußball spielen, ein Stück Zuhause. Natürlich wollten wir mitspielen, aber vorerst galt es die Aussicht zu genießen. Weiter sahen wir auch das erste Anzeichen von Christentum in Indien: eine christliche (ich würde sogar fast sagen katholische) Schule, in der Kinder aufgereiht wurden wie im Militär (auf Nachfrage erklärte man mir, das macht man um die Kinder Disziplin zu lehren), dann sahen wir einen Friedhof der aber vom Aussehen her deutlich in Richtung Spanien/Portugal ging (auch hier fragte ich nach, ob es denn auch Hindi-Friedhöfe gibt, man erklärte mir Hinduismus und Budhismus gehören zum selben Verein an, wie auch Muslime und Christen zusammengehören, und dort sei es Sitte, die Menschen, sofern sie das Kleinkindalter übertreten hatten, zu verbrennen, damit hat die Seele die Möglichkeit aus ihrem irdischen Gefäß zu entfliehen und wiedergeboren zu werden), außerdem sahen wir eine Kirche und die sah so aus wie Kirchen normalerweise überall aussehen ;)





Nach unserem Ausflug hatten wir kurz Zeit um uns auszuruhen, dann wurden wir auch schon wieder zum Essen abgeholt. Meist sind wir dann erst zwischen 9 und 10 Uhr abends im Hotel und haben wirklich mal etwas Zeit für uns. Ihr seht warum ich die erste Zeit gar nicht schreiben konnte, irgendwann muss man sich ja auch noch erholen müssen. Jetlag ist ja immernoch da, viel zu viel neues den ganzen Tag und dann keine Ruhe. Kein Wunder dass ich da später krank werden sollte...

David

Samstag, 16. November 2013

Tag 0 und 1 - Abflug über den Tellerrand


Glick auf liebe Mitmenschen und Welcome to the world outside you know


Tag 0, 01.11.2013 - Abflug

Wenig Schlaf und viel Stress in der letzten Woche. Keine guten Voraussetzungen für eine Reise, die fast einen Tag dauert…
Freitag 01.11.13 um halb 6 aufgestanden, mit dem Auto nach Frankfurt gefahren und gegen 7 am Flughafen angekommen. Das ganze Prozedere ist für einen Flugneuling wie mich leicht verwirrend, aber meine Kommilitonen helfen gern. Check in verlief reibungslos, Tasche unter 10kg (bleibt für den Rückflug 20kg übrig ;) ), Handgepäck knapp 6kg (trotz Laptop!), läuft. Duty Free erst einmal Whiskey kaufen, soll ja den Magen desinfizieren. Freilich haben wir auch zunächst darüber gelächelt à la „wir saufen und jetzt unter gutem Vorwand jeden Tag die Hucke voll“, aber das wird schon einen Tag später vergehen… Vorm Sicherheitscheck noch einmal schnell von Familie telefonisch verabschiedet und noch mit Rätselbuch und Metal Hammer eingedeckt. Dann geht es auch schon los. Für mich war die Sicht aus dem Gate hinunter auf unser Flugzeug von der Etihad-Airline etwas Besonderes. Für mich ist es der vierte Flug überhaupt in meinem Leben, und der erste endete mit einem Sprung aus dem Flugzeug. Der erste Langstreckenflug also. Den meisten Bammel hatte ich davor, was ich denn in der ganzen Zeit auf dem Flug tun sollte. Zwar wurde mir erzählt es würden Filme gezeigt, aber mir war nicht klar ob die arabisch oder doch englisch sein würden.



Sitzplatz neben einen netten Triathleten gefunden, der noch etwas verkatert war. Er erzählte mir später, er habe Abschied gefeiert und würde nach Thailand fliegen. Ich fragte warum ausgerechnet Thailand, und er antwortete er habe Hangover 2 im Kino gesehen und habe direkt im Anschluss mit seinen Freunden den nächsten Flug gebucht. Und nun sei er für 2 Monate da. Es sei billig und das Drehkreuz für alle interessanten fernasiatischen Länder. Ich überlege mir kurz nicht evtl. Thailand auf meine Liste der Länder zu setzen, die ich noch besuchen will, aber verwarf die Idee dann doch erst mal. Eine geschlagene dreiviertel Stunde warteten wir im Flugzeug, ehe Bewegung eintrat. Die ganze Zeit lief Werbung von Etihad und Abu Dhabi auf den kleinen Displays vor uns. Ich war erschrocken über die geringe Beinfreiheit auf einem Interkontinentalflug. Dann ging es los. Ewiges auf der Rollbahn rumfahren – Frankfurt scheint in dem Punkt etwas größer zu sein – dann der Start! Auf diesen Augenblick freute ich mich am meisten. Der Geschwindigkeitsrausch hatte mich bereits auf dem ersten Linienflug Berlin – Stuttgart beeindruckt, und auch jetzt machte es mir Spaß, allerdings weniger als ich hoffte. Es ist scheinbar wie mit allen Drogen, die Wirkung lässt nach und du gierst nach immer mehr um noch einmal das Gefühl des ersten Males zu haben. Das Abheben selbst war seltsam. Wie mit verbundenen Augen Achterbahn fahren. Du weißt nie wohin es geht (aufwärts, abwärts, seitwärts) und siehst es auch nicht, aber dein Körper spürt es. Deutlich. Zugegeben, mir bereitete das etwas Unbehagen.

Mein Hirn stellte sofort auf Englisch um, so dass mir auch nicht die Werbung entging. Nach einiger Zeit in der Luft stellte der Bildschirm von Flugdaten (wie Geschwindigkeit, Höhe, Temperatur etc.) auf, naja, ich nenne es jetzt mal, Entertainmentmediathek um. Ich war schlicht absolut überwältigt von den Angeboten! Spiele, Filme, Serien, Nachrichten, Flugdaten, Karten, K A M E R A S ?!?! (man kann tatsächlich mit Kameras aus dem Flugzeug schauen – wie bei Call Of Duty 4… Fehlt nur noch die Thermo- und Nachtsichtoption) Unfassbar. Ich startete mit dem klassischen Space Invaders. :D 

Mit knapp tausend km/h zischten wir über die Wolken. Eine Wahnsinnsgeschwindigkeit, kaum vorstellbar, zumal auch irgendwann sämtliche Bezugspunkte verschwinden, was aber auch normal ist bei einer Flughöhe von etwa 10km. Der Kapitän stellte sich vor und kündigte prompt die ersten Turbulenzen an. Zugegeben, etwas mulmig war mir da schon, aber ich dachte mir „Wenn ich schon zu Grunde gehe, dann wenigstens mit Action.“ Galgenhumor. 


Unser Flugzeug war eine A330. Geplant waren etwa 5:50h Flugzeit, was mich überraschte, ich hatte eigentlich mit mehr gerechnet. Nach etwa einer Stunde war ich weiter von zuhause entfernt, als ich es je war – und flog über die (wahrscheinlich) schöne Stadt Budapest. Halb 2 erreichten wir dann das Schwarze Meer. Dreiviertel 2 Lunch über Ankara (fühle mich wie Globetrotter). War überrascht wie gut das Essen war und vor allem wie viel!






Gelber Reis, links irgendwas was etwas nach pflaume schmeckt, rechts schmeckt arg nach ungarischer Küche, oder das was ich darunter kennengelernt habe, Mangosaft ist der Hammer, Butter aus Schleswig-Holstein, Sahne aus Bayern, da fällt der Abschied nicht schwer. Das Dessert war übrigens der kulinarische Höhepunkt bis dahin! So verdammt lecker!!
Halb 3 werden wir dazu angehalten die Gurte zuzumachen, es soll die angekündigten Turbulenzen geben. Überlege mir ob ich nach dem Essen und während dem Geschaukel noch einen Kaffe gönne, entscheide mich dann für Cappuccino. Mein Sitznachbar erzählt die Geschichten von Thailand. 

Uns werden gerade heiße Tücher angeboten. Habe ausversehen eins angenommen, ehe ich wusste was es war. Weiß nicht wofür es ist. Komme zur Erkenntnis: Wenn sich mir der Grund nicht automatisch erschließt, ist es auch nicht nötig.

15:20Uhr (18:30Uhr Ortszeit) sehe ich meinen ersten Sonnenuntergang über den Wolken. Rechts (wo ich saß) verschwindet die Sonne, links sieht man bereits in die Nacht. Unfassbar wie sich die durch die Sonne rot gefärbten Wolken um die Berge der Vereinigten Arabischen Emirate schlingen. Malerisch.





Viertel 5 sehe ich Kuwait bei Nacht. Beeindruckend. Dreiviertel 5 erzählt der Kapitän was von 31°C… ich glaub er lügt, sitze mit Pullover hier. Aber auch nur, weil ich nicht wusste wohin damit, warm genug war es im Flugzeug, aber Platz… naja.



Ankunft in Abu Dhabi. Eine Luftwand wie in einem Gewächshaus, Sand auf dem Gehsteig. Habe Lust hier zu bleiben. Flug war angenehm. mittlerweile ist es hier um 9, in Deutschland ist es um 6, fühle  mich wie um 12 mittags, hoffe ich werde den nächsten Tag ohne Schlaf überstehen um so in den Rhythmus reinzukommen. Bis jetzt bin ich nicht müde.
Die bequeme Bundeswehrhose für den langen Flug anzuziehen war angesichts meines jetzigen Schwitzens möglicherweise nicht die beste Idee. Ich musste kurz schmunzeln als wir das Innere des Air Ports betraten: Trotz all der neuen Eindrücke, andere Sprachen und Kulturen, fühle ich mich nicht fremd, es erscheint mir alles noch normal. Habe wohl zu viel fern gesehen. Ich erinnere mich grad daran, dass es Inder nicht so mit der Zeit haben wie wir, ein anderes Verständnis eben. Ich befürchte nun, dass wir stundenlang am Airport Calicut festsitzen werden… Nunja, zumindest werde ich in Indien dann den zweiten Sonnenaufgang heute sehen! (Heute = innerhalb von 24 Stunden)

Komische Welt. Die Frauen müssen als erstes einchecken, die Anweiserin, eine kräftig gebaute, dunkelhäutige Frau in blauer Uniform, führt ein hartes Regiment. Etwas irritiert und leicht verärgert war ich als wir Männer dann plötzlich gedrängt wurden und es nicht schnell genug gehen konnte. Mein Gedanke dazu wortwörtlich: „Erst lassen sie sich Zeit und dann wirste wie Vieh abgefertigt!“ Zumindest erheiterte mich bald der Kommentar von Flo zu Freundin Mara: „Wir sind hier auf neutralem Boden, hier darf ich alles mit dir machen…“ Als wir 19 Uhr mit den Kontrollen durch und uns im Shuttlebus zum nächsten Flugzeug befinden, beginne ich doch langsam müde zu werden. Der Flug nach Abu Dhabi war so voll und aufregend, dass ich auch schlicht nicht schlafen konnte. Schließlich war am selben Wochenende dort auch Formel 1 – klar dass sich da jeder reinquetscht, der kann.

20 Uhr (23 Uhr Ortszeit):  Haben gute Stunde zu warten weil der uns zugewiesene Slot besetzt wurde von Flugzeugen, die den Luftraum brauchen, das sei nicht besonderes für die Uhrzeit, zumindest soweit ich das verstanden habe. Sie versuchen uns mit Katzenvideos zu besänftigen, einige Inder lachen herzlich darüber und ich stimme mit ein. Wir befinden uns nun in einem kleineren Flugzeug mit 2x3 Sitzreihen. Bin froh dass ich im Gang sitze und keiner in der Mitte, denn es riecht seltsam. Stark, wie der Bruder von Moschus. Habe Angst dass das noch schlimmer wird. überhaupt habe ich das dringende Bedürfnis mich zu betrinken. Einerseits freue ich mich auf all die Erlebnisse, andererseits fürchte ich allmählich dass ich mich öfters ekeln könnte als mir lieb ist…

Nunja. Bin immernoch satt vom Essen des ersten Fluges und kann kaum das Angebot dieses Fluges übersetzen, weshalb ich wohl blind aus Neugier irgendwas probieren werde. Julian meinte, das australische „Fosters“ wäre als Bier brauchbar. Sie bieten hier zwar Heineken an, aber davon war ich nie Freund. 20:12 Uhr, das Flugzeug bewegt sich. Endlich! 




22:44 Uhr habe eben Internship zu Ende geschaut. Netter Film, leichte Kost für die Uhrzeit. Es folgt eine Hälfte World War Z. Auf der Toilette kratzt mein Essen der letzten Stunde gefährlich nahe an meiner Speiseröhre. Es riecht furchtbar ekelerregend und übertrieben künstlich. Nach etwas, was Inder wohl Parfum nennen. Ich nenne es eine Mischung aus Curry, Pflaume und Moschus - kurz: widerlich. Aber nicht ganz so schlimm wie das, was alte Frauen oft pflegen bei uns zu tragen… kiloweise. 


Tag 1, 02.11.2013 - Hallo, mein Name ist Indien!

00:09 Uhr (4:39 Uhr Ortszeit): Vor 3 Minuten gelandet. Fühle mich immernoch als würde das Flugzeug bremsen. Die Leute hier standen schon in den Gängen unseres Flugzeuges, als wir nicht einmal in der Nähe unseres Stellplatzes waren. Keine Geduld oder es gibt etwas umsonst. Ersteres sollte sich einige Zeit später als richtig herausstellen… Es sind 24°C draußen, und dabei ist es halb 5 Ortszeit, in ruhigen Momenten werde ich immer müder….noch ein Tag vor mir… Schwül und Regen. Die Inder sehen teils dunkler aus als erwartet. Die Erde dreht sich, fühl mich etwas wie betrunken. Toiletten auf dem Flughafen sind furchtbar, kommt mir vor wie alte DDR-Architektur, die Jahrzehnte lang nicht gewartet, aber genutzt wurde. 



Um 1: Geld tauschen. Dauert ewig. 7300 Rupien für 100€, eigentlich müssten wir 500 mehr kriegen. Entgegen aller Erwartung mussten wir nicht warten, sondern Professor Faisal wartete auf uns. (Oho – Pünktlichkeit?!?) Die Fahrt war mehr(!!!) als abenteuerlich! Ich lachte des Öfteren um meine Nervosität zu verbergen. Der Verkehr Indiens ist unvergleichbar mit dem was Europäer kennen. Auf dem ersten Blick wirkt alles sehr hektisch, chaotisch, konfus, lebensmüde. Fahrer die Hupen erscheinen mir nun als die vernünftigeren und sichereren, aber deshalb nicht zu den passiveren. Sie hupen wenn sie überholen, damit das zu überholende Fahrzeug ja ganz weit links bleibt (wir haben hier Linksverkehr). Es dauert nur kurz, bis man sich an die rechts überholenden Fahrzeuge gewöhnt hat. Schlimmer ist das Überholen selbst. Inder fahren immer ihr eigenes Tempo, egal was die Straßenverkehrsordnung vorgibt. Jeder fährt so schnell er kann. (die meisten Fahrzeuge schaffen aber nicht mehr als  80km/h, weil sie gedrosselt wurden… aus gutem Grund wie ich finde). Erkenne bald eine weitere Regel im Straßenverkehr: „Wenn Platz ist, passt auch immer noch ein Gefährt rein!“ Oder auch: „Überholt werden darf immer.“ Oder: „Rote Ampeln dienen zur Dekoration.“ Wir sahen uns nicht nur einmal mit dem Gegenverkehr konfrontiert, der ungeachtet unseres Überholvorgangs auf uns zu steuerte. Ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich durchaus Angst hatte. Die erste halbe Stunde. Dann resignierte ich und vertraute übermüdet mein Leben dem Fahrer ohne Widerworte an.

Es ist kaum zu realisieren, diese ersten Stunden in einem Land, welches wir maximal im Ansatz aus dem Fernsehen kennen. Palmen überall, überraschend gute Straßen (da kann sich die A81 teils was von abschneiden!), entlang der Wege Häuser die teils sehr bunt, teils sehr trist wirken. Allesamt haben Risse, oder sind mit Müll überseht oder sind schlicht kaputt. Indien könnte so viel schöner sein. 

Es dauert nicht lang, als wir zum Frühstück geladen wurden. Ich war sauer, war ich doch eben erst eingeschlafen in diesem unbequemen Bus, in der ich auf einer Arschbacke saß und mein Gepäck mir jegliche andere bequeme Position verweigerte. Das Frühstück war das mir Fremdeste, was ich je erlebt habe. Unterschiedlicher hätte es nicht sein können. Und ich war auch mit der Situation deutlich überfordert. Überall war es dreckig und unhygienisch. Waschen konnten wir uns auch nicht, weil das Wasser keimverseucht ist. Das Essen selbst war scharf und warm – typisches Frühstück, so sagte man mir. Als Getränk bekamen wir Wasser und Kaffee. Es schmeckte nur nicht wie Kaffee, sondern wie Eiskaffee, nur warm. Also sehr süß. [Anmerkung: ich sollte erst viel später herausfinden, dass das Tee mit Milch war…]



Auf unserer Reise, die kaum die 40km/h-Grenze überschritt, wurden wir abermals geweckt um die Statue von einem Verwandten von Hermann Hesse zu bewundern, dessen Name ich aber noch nie gehört hatte. Hermann Gunternt oder so ähnlich. Würde da Kerry King, oder James Hetfield stehen, wüsste ich sofort wer gemeint ist…

Wir fuhren von Calicut in Richtung Norden. Durch Gebiete die von Portugiesen einst besetzt waren, teils aber auch von Franzosen, die den Weinanbau mitbrachten. Und so brauchen wir für etwa 80km zwischen 2 und 3 Stunden. Genau habe ich dann nicht mehr auf die Uhr gesehen.
Ich kann nicht mehr. Es ist halb 10, liege im Bett und schlafe jetzt obwohl es überall bestialisch stinkt. Habe meine Zweifel dass ich mich daran gewöhnen werde. Bin angewidert aber zu kraftlos um dagegen irgendwie zu protestieren.

Nach einigen wenigen Stunden erholsamen Schlaf (mehr wollte ich mir nicht genehmigen um dann bei Zeiten wirklich schlafen zu können) gingen wir das erste mal auf Erkundungstour in dieser fremden Welt. Kannur ist jetzt nicht die schönste Stadt, wie wir feststellen mussten. Es wirkt alles sehr befremdlich. Menschen verhalten sich nach ungeschriebenen, gesellschaftlichen Regeln, die wir einfach nicht kennen. Die Straße zu überqueren ist ein gutes Beispiel dafür, da muss man als Ausländer schon sehr mutig sein in diesem gefährlichen Wirrwarr an Fahrzeugen hindurch zu schlüpfen. 




Am Abend lädt Professor Faisal uns zum Essen ein. Das Gebäude ist ein Turm mit mehreren Stockwerken in denen gegessen werden kann. Wir bekommen das oberste und damit den besten Ausblick auf die mittlerweile schon dunkle Stadt. Ich muss zugeben, ich war sehr angetan vom indischen Essen. Ein wenig scharf, aber alles noch erträglich. Teils verdammt lecker. In Indien isst man grundsätzlich mit der Hand, und dann auch noch mit der rechten – da die linke als schmutzig erachtet wird (warum, werde ich erst später feststellen). Das Essen mit der bloßen Hand zu berühren und damit im wahrsten Sinne des Wortes „rumzumatschen“ war eine größere Umgewöhnung, als es mit rechts zu essen (bin Linkshänder). Jetzt versteht sich auch die Sitte, dass man in der Nähe eines Essensraumes oder gar im selbigen (wie bei uns in dem Fall) grundsätzlich ein Waschbecken vorfindet. Nie war Hände waschen wichtiger als jetzt. 




Am späteren Abend sitzen wir noch gemütlich auf unserem Zimmer und spielen etwas, auch um etwas runter zu kommen und den Schock gemeinsam zu verdauen. Ich muss zugeben, ich fühl mich unbehaglich und unwohl. Vor allem, weil ich diesen Ort nicht ohne weiteres verlassen kann, wie es mir beliebt. Aber, die Hoffnung stirbt zuletzt.

David

Freitag, 15. November 2013

Tag 2 - 03.11.2013, So



Glick auf liebe Mitmenschen!

Der Zeitplan ist deutlich straffer als erwartet, weshalb ich nun halb 8 (3 Uhr nachts nach deutscher Zeit) morgens in der Lobby unseres Hotels sitze (der einzige Ort mit Internet und natürlich komplett überfordert wenn wir als Gruppe rein möchten) und versuche kurz (leider) zusammenzufassen, wie es hier ist. Tag 1 begann ich bereits zu schreiben, aber habe nach 4 A4-Seiten erstmal aufgehört - da kommt noch einiges hinterher!

Tag 2 - 03.11.2013, Sonntag

Der Tag beginnt früh, zu früh. Jetlag macht sich bemerkbar. Für mich ist es wortwörtlich noch mitten in der Nacht, mein Körper hat sich noch nicht an die neue Zeit gewöhnt. Es steht ein Besuch des Forts Angelo an. Es gibt einen Grund warum wir so früh raus müssen, um 8 sollten wir bereits vor Ort sein, denn ab 9 wird es zu heiß sein - selbst für Einheimische.

Professor Faisal, der erste der Professoren die wir von der Kannur University kennengelernt haben, ist einen echte Granate. Offen, erzählt viel, hat stets ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen und ist denke ich ein Musterbeispiel für einen Inder. Inder sind grundsätzlich offener als Deutsche und scheinbar auch vorurteilsfreier. Hier leben sämtliche Religionen auf einem Platz (Prof. Faisal selbst ist Moslem) und keiner urteilt über den anderen. Im Gegenteil, hier wird versucht zu erfahren, was andere erfahren haben und ihnen widerfahren ist. Das ist wirklich schön zu spüren, dass Menschen so sein können.

Wie dem auch sei. Das Fort selbst ist portugiesisch und gehört zu dem Raum, wo Vasco Da Gama in Indien landete. Es vermittelt einen ersten Eindruck wie sich Indien und Europa einst begegneten und zeigt, was Inder aus europäischen Bauten machen können. Einst ein Ort für Krieg und Gefangenschaft, ist das Fort heute ein einzelner Garten mit Meerausblick.
Das Meer... Das arabische Meer. Wunderschön.
  



Die Wellen schlagen so kraftvoll an die Klippen, dass es mir den Atem raubt. Könnte aber auch daran liegen, dass die Sonne mittlerweile meinen Kopf wegbrennt und ich Angst habe nach einer halben Stunde an der frischen Luft Sonnenbrand zu bekommen. Hier treffen wir aber auch eine Gruppe indischer Schüler. Ich selbst werde öfters mit kichernden Blicken angeschaut und um Fotos gebeten - blond Maniac werde ich bald genannt werden. 






Für das Nachmittags-/Abendprogramm werden wir in einen Hindu-Tempel eingeladen. Wie wir später erfuhren, ist heute ein besonderer Tag und wir können eine, ich nenne es jetzt mal in Ermangelung eines besseren Begriffes, religiöse Vorstellung bestaunen. Soweit ich das verstanden habe, geht es um einen Beschützer und Zerstörergott. Ich glaube der eine war Krishna, aber nagelt mich nicht drauf fest. Dem einen werden Opfergaben in Form von Reis und Wasser dargebracht, nachher folgt eine Segnung (gegen einen Obulus) und ein Kampf der beiden Götter. Sehr farbenfroh gekleidet und geschminkt sind die beiden jedenfalls. 







Untermalt wurde der traditionelle Tanz (ob das Zufall ist, dass der am Wochenende des Lichterfestes, eines der größten kulturellen Ereignisse Indiens, stattfindet?) mit Getrommel. Besonders ein kleiner Junge zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Trotz seines Alters beherrscht er das, für Laien einfach aussehende, Instrument und blastet [ist eine Technik mit der man Drumsticks ziemlich schnell bewegen kann - googelt mal, wer es genau wissen möchte] zwischendurch sogar!

 [eigentlich wollte ich ein Video dazu hochladen, aber die Verbindung ist zu grottig]

Dennoch, nach einer gewissen Zeit wird es langweilig. Und so bestaunen wir den Rest des Tempel-Geländes, teils barfuß. Unspektakulärer als ich erwartete. Grundsätzlich aber sauberer, als der Rest den wir bis dato von Indien gesehen haben. Julian meinte kurz einen Flughund gesehen zu haben, ich sah nur eine von mir erschlagene Mücke auf meinem Fuß, aus der sich mein Blut ergoss. 
David 1 : Indische Mücke 0.

Nach Einbruch der Dämmerung konnte ich das erste mal ein paar Sterne sehen. Sofort fiel mir einer ins Auge, der so hell war, dass man meinen könnte in der Ferne habe ein Motorrad sein Fernlicht eingeschaltet. Allem Anschein nach der Südstern.

Am Abend fiel ich komplett fertig ins Bett. Die Zeitumstellung ist härter als ich angenommen hatte. Ständige Müdigkeit und kein Schlaf der anzuschlagen scheint. Mir graut es ein wenig vor der kommende Woche in diesem Hinblick. 

David